CCC-CH fordert sofortige Aussetzung des E-Counting in Bern und St. Gallen [Update]

Liebe Medienschaffende,
Liebe Demokratie,

Die Situation

In den Städten Bern und St. Gallen wird heute nicht mehr händisch, sondern mit Verfahren des sogenannten E-Counting (vgl. WOZ-Artikel vom 17.4.2014 ausgezählt. Dabei zählen nicht mehr Menschen die Stimmzettel bei Abstimmungen aus, sondern ein Verbund aus Hard- und Software.

Wie der "Bund" in seiner heutigen Ausgabe berichtet, kam es in der Stadt Bern schon bei der Betrachtung von nur sehr wenigen Stimmzetteln zu Fehlern – im Rahmen der nationalen Abstimmungen vom 18. Mai. Eine systematische Natur dieser Fehler kann nicht ausgeschlossen werden.

Intransparenz und keine Nachvollziehbarkeit

Weder Schaltpläne noch Quellcode der eingesetzten Hard- und Software sind einsehbar oder überprüfbar. Die genaue Funktionsweise des gesamten Settings ist intransparent. Es kann zudem nie ausgeschlossen werden, dass Manipulationen an Soft- oder Hardware (kurz) vor den Abstimmungen durchgeführt werden. Wie schnell solche Manipulationen an technischen Geräten durchgeführt werden können, hat der Chaos Computer Club in Deutschland im Zusammenhang mit den sogenannten Wahlcomputern mehrfach eindrücklich demonstriert. (Beispiel zu den NEDAP-Wahlcomputern)

Eine manuelle Überprüfung der abgegebenen Stimmen findet gemäss dem Betriebskonzept der Stadt Bern, welches mittlerweile vom Netz gelöscht wurde Kopie beim CCCZH, nur bei Einscannproblemen statt. Zudem ist keine systematische, zufällige Stichprobe von Hand vorgesehen, welche sich über den gesamten Abstimmungsprozess vollzieht. Die eingescannten Stimmzettel werden stattdessen, so Betriebskonzept, bestenfalls archiviert. Ein valider Realitätsabgleich bleibt aus.

Nachzählung adé

Eine Nachzählung existiert nur noch theoretisch, denn die Argumentation der Fans solcher Systeme lautet, dass diese "genauer" als Menschen auszählen könnten. Folglich wird sich der Bedarf nach einer Nachzählung schwerlich manifestieren können. Der Chaos Computer Club Schweiz CCC-CH ist entsprechend gegenteiliger Ansicht, wonach sich die Wählerinnen und Wähler nicht mehr sicher sein können, ob ihr Willen auch wirklich zum Ausdruck kommt. Das schwächt das Vertrauen in unser Abstimmungssystem erheblich. Abstimmungen sollten für Wählerinnen und Wähler in jedem Fall "ohne besondere Sachkenntnis" nachvollziehbar sein, wie auch das deutsche Bundesverfassungsgericht befunden hat.

Aussetzung als Ausweg

Dem CCC-CH wurde bisher die Möglichkeit verweigert, direkt Versuche mit dem eingesetzten Soft- und Hardware-Setting durchzuführen. Wir sind allerdings bereit, so dies erforderlich ist, die prinzipielle Unsicherheit unter Einsatz eigener Mittel öffentlichkeitswirksam zu demonstrieren.

Der CCC-CH fordert daher die Aussetzung von E-Counting-Systemen in den Städten Bern und St. Gallen schon jetzt.

Demokratie, ahoi!

Für den CCC-CH

Hernani Marques (Tel. +41 79 191 23 70; Mail: hernani@ccc-ch.ch, gpgid: 0xf7ab9ce5)

Update: Der Artikel vom "Bund" ist jetzt online