Die Schweizer Universität Fribourg zensiert das Internet nach chinesisch-saudischen Massstäben

Wie uns Florian Dietschi, Student der Universität Fribourg und Co-Koordinator der kritischen Jurist*innen Fribourg/Bern, mitgeteilt hat, zensiert die zweisprachige Universität das Internet nach allen Regeln der Kunst, wie es andernfalls aus chinesischen oder saudischen Kontexten bekannt ist. In nachfolgenden Tests seitens des Chaos Computer Club Schweiz (CCC-CH) wurde eine Zensur sondergleichen festgestellt.

Bisher entdeckte Kategorien umfassen: (1) hacking; (2) proxy-avoiders-and-anonymizers; (3) adult, (4) copyright-infringement und (5) extremism. Somit werden an der Universität Fribourg selbst Seiten zur Umgehung von Zensur zensiert: Betroffen sind beispielsweise die Projekte I2P (geti2p.net) und Tor (torproject.org), welche weltweit auch von Journalisten und politisch Verfolgten in faschistischen oder diktatorischen Regimen wie z.B. der Türkei eingesetzt werden. Mindestens eine Seite, welche vor allem politischen Aktivist*innen und Journalist*innen unabhängige Infrastruktur zur Verfügung stellt – riseup.net – lässt sich nicht mehr laden. Ebenso war gestern Abend die Seite freespeech.com nicht abrufbar. Einziger Inhalt dieser Seite: Ein Video in welchem Ted Cruz über die Freiheit des Internets spricht. No joke!

Betroffen sind alle Verbindungswege, einschliesslich beim Netzzugang via eduroam und über das VPN der Universität Fribourg. Somit verletzt die Uni Fribourg privatrechtlich die Nutzungsbedingungen von eduroam gemäss dem Compliance Statement §B.8.

Öffentlichrechtlich sind verschdene Verletzungen des kantonalen Rechts und Verletzungen der Grundrechte anzunehmen, insbesondere die Verletzung des Schutzes der Privatssphäre (BV 13), die Verletzung der Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit (BV 16), die Verletzung der Medienfreiheit (BV 17) und die Verletzung der Wissenschaftsfreiheit (BV 20).

2014 zensierte die Universität Zürich einzig die Kategorie "adult". Die UZH verwendete die Fortinet-Zensurinfrastruktur und setzte das Produkt "FortiGuard" ein. Alle anderen (über 80!) Zensurkategorien waren damals (noch) nicht aufgeschaltet: Aktivisten des CCC Zürich, im Gespann mit Studentinnen der politischen Gruppe kritische Politik (kriPo) und dem offiziellen Verband der Studierenden der Universität Zürich (VSUZH), sorgten dafür, dass die Netzzensur durch öffentlichen, medialen Druck damals innert Tagen weitestgehend abgeschafft wurde. Es war ja auch nur noch peinlich, u.a. den Mamablog des Tages-Anzeigers zu zensieren. Sodann fiel das Kartenhaus in sich zusammen. Das Prinzip der Netzneutralität verlangt, dass Daten gleichleichbehandelt, ungehindert und diskriminierungsfrei übermittelt werden. Netzzensur ist vollständig und immer abzulehnen.

Für die Universität Fribourg gibt es nun ebenfalls keine Ausnahme: Sie muss sich als öffentlich-rechtliche Institution genauso wie die Universität Zürich zur Freiheit des Internets und zur Netzneutralität bekennen.

Angesichts der Tatsache, dass auch der Bund mit dem Gedanken spielt, die Netzzensur für alle Menschen einzuführen, aktuell wegen ausländischen Geldspielen, machen der CCC-CH und die kritischen Jurist*innen Fribourg/Bern hiermit deutlich, dass jede Form der Zensur inakzeptabel ist. Wir werden Netzzensur niemals und in keiner Form akzeptieren und sie mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen. Zensur löst kein Problem, Zensur ist ein Problem.

Wir fordern die Universität Fribourg hiermit auf, per sofort jedwede Zensurmassnahme abzuschalten!


Kontakt

Chaos Computer Club Schweiz
Hernâni Marques, Vorstand und Pressesprecher CCC-CH
E-Mail: presse@ccc-ch.ch (PGP: FA8A 8269 A4DF 0B4B 6636 1894 82EF E630 FF68 DE3E)
Telefon: +41 79 191 23 70

kritische Jurist*innen Fribourg / Bern
https://www.facebook.com/kriJurFribourgBern
Florian Dietschi, Co-Koordinator kritJur FR/BE
E-Mail: florian.dietschi@unifr.ch (PGP: 39FA FA6E EF40 B3E9 63A8 AE4A BE81 BCFF C006 55D1)
Telefon: wird per Mail bekannt gegeben


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