Nächster Halt für die Vorratsdatenspeicherung Schweiz: Bundesgericht!

Mit Urteil A-4941/2014 vom 9. November 2016 hat das Schweizer Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde von sechs Personen aus dem Umfeld der Digitalen Gesellschaft Schweiz an den Dienst ÜPF abgewiesen, welcher zuständig für die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs in der Schweiz ist. Diese Personen, darunter Aktivist und Pressesprecher des CCC Schweiz, Hernâni Marques, hatten gefordert die Speicherung von Vorratsdaten über sie zu unterlassen.

Dieses Urteil ziehen die betroffenen Beschwerdeführer mit Datum vom 15. Dezember 2016 nun vor das Schweizer Bundesgericht in Lausanne zur Neubeurteilung weiter:

Beschwerde VDS Bundesgericht (PDF)

Nach genauerer Prüfung des Urteils ist festzustellen, dass das St. Galler Gericht die fundamentalen Gefahren missachtet, die von der tatsächlichen Fichierung der gesamten in der Schweiz ansässigen Bevölkerung ausgeht.

Gerade dem Aspekt der Datensicherheit der Vorratsdatenhaltung widmet das Bundesverwaltungsgericht eine nur rein normative Betrachtung, ohne auf die technischen Realitäten einzugehen, dass tagtäglich Systeme mit sensiblen Personendaten angegriffen werden, und viele weitere Systeme zumindest angreifbar. Das Gericht trägt dem grossen und realistischem Schaden, welcher grossen Teilen der Bevölkerung jederzeit bevorstehen kann, wenn derart systematische Datenbestände missbräuchlich genutzt oder veröffentlicht werden, damit keine Rechnung.

Wurde bei der Ende der 1980er Jahren aufgedeckten Fichenaffäre noch mit Schrecken konstatiert, dass es der damaligen Bundespolizei gelang, händisch die Aufenthaltsorte, Kontaktnetze und Aktivitäten von grossen Teilen der Bevölkerung festzuhalten, sind wir im Jahr 2016 vollends im Zeitalter der digitalen Totalüberwachung angekommen.

Praktisch auf Knopfdruck kann von jeder in der Schweiz ansässigen Person über einen Zeitraum von sechs Monaten festgestellt werden, mit wem und wann sie sich trifft, geschäftliche Beziehungen unterhält, wo sie einkauft, mit wem sie politische Kontakte hegt, intime Beziehungen führt und ganz allgemein: mit wem sie insgesamt in Beziehung steht. Weiterhin kann auf Grund des Surfverhaltens minutiös ein Persönlichkeitsprofil einer Person erstellt werden, das sie genauer beschreibt, als die Person dies selber für möglich hält. Die Vorratsdatenspeicherung bedeutet genauso, dass von jeder in der Schweiz ansässigen Person auf Grund ihres Handys ein Bewegungsprofil erstellt werden kann, das ihr Leben auf Schritt und Tritt verfolgbar macht: das Handy fungiert dabei als permanente Wanze.

Der CCC-CH erachtet die Speicherung von Aufenthaltsorten, Kontaktnetzen und dem Kommunikationsverhalten der gesamten in der Schweiz ansässigen Bevölkerung als ein Instrument des Totalitarismus und ein Sicherheitsrisiko für jeden Einzelnen. Es steht diametral den Schweizer Werten der Vernunft und Verhältnismässigkeit gegenüber. Diese Problematik wurde vom Europäischen Gerichtshof und dem deutschen Bundesverfassungsgericht in deren Urteilen gegen eine Vorratsdatenspeicherung gewürdigt.

Der CCC-CH und die Digitale Gesellschaft Schweiz fordern mit dem Weiterzug des Urteils somit, die Vorratsdatenspeicherung auch in der Schweiz vollends abzuschaffen.


Kontakt

Chaos Computer Club Schweiz
Hernâni Marques, Vorstand und Pressesprecher CCC-CH
E-Mail: presse@ccc-ch.ch (PGP: FA8A 8269 A4DF 0B4B 6636 1894 82EF E630 FF68 DE3E)
Telefon: +41 79 191 23 70